Beschluss vom 26.03.2024 -
BVerwG 10 B 53.23ECLI:DE:BVerwG:2024:260324B10B53.23.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 26.03.2024 - 10 B 53.23 - [ECLI:DE:BVerwG:2024:260324B10B53.23.0]

Beschluss

BVerwG 10 B 53.23

  • VG Halle - 29.04.2020 - AZ: 8 A 407/18 HAL
  • OVG Magdeburg - 26.09.2023 - AZ: 4 L 15/23

In der Verwaltungsstreitsache hat der 10. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 26. März 2024
durch die Vizepräsidentin des Bundesverwaltungsgerichts Dr. Rublack und
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Günther und Dr. Löffelbein
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt vom 26. September 2023 wird zurückgewiesen.
  2. Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 105 752,73 € festgesetzt.

Gründe

I

1 Die Klägerin wendet sich als Mitglied des Beklagten gegen die Heranziehung zu einem Verbandsbeitrag für die Gewässerunterhaltung. Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren hat das Verwaltungsgericht der Klage stattgegeben. Die hiergegen gerichtete Berufung des Beklagten blieb ohne Erfolg. Das Oberverwaltungsgericht hat den Heranziehungsbescheid im Kern deswegen als rechtswidrig und die Klägerin als in ihren Rechten verletzt angesehen, weil der Beklagte in seiner Beitragskalkulation gemäß § 55 Abs. 4 Satz 1 Wassergesetz für das Land Sachsen-Anhalt (WG LSA) entgegen dem verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Anschaffungskosten nicht wertmäßig - also unter Berücksichtigung von Abschreibungen in künftigen Jahren - sondern in tatsächlich angefallener Höhe fehlerhaft angesetzt habe. Das Berufungsgericht hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Beklagten.

II

2 Die auf die Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) und der Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) gestützte Beschwerde ist unbegründet.

3 1. Die Rechtssache hat nicht die ihr von dem Beklagten beigemessene grundsätzliche Bedeutung.

4 Grundsätzlich bedeutsam ist eine Rechtssache dann, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrundeliegenden Einzelfall hinausgehenden, klärungsbedürftigen und entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist. In der Beschwerdebegründung muss gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO dargelegt werden, dass und inwiefern diese Voraussetzungen vorliegen (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 2. Oktober 1961 - 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 <91> und vom 7. Oktober 2022 ‌- 7 B 6.22 - juris Rn. 5). Daran fehlt es hier.

5 Der von der Beschwerde aufgeworfenen Frage:
"Verlangen die §§ 28, 30 WVG i.V.m. dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und dem Willkürverbot, dass im Rahmen der Kalkulation der Beiträge zu einem Wasser- und Bodenverband Anschaffungs- und Herstellungskosten von Wirtschaftsgütern nur mit ihren wertmäßigen Kosten (d.h. den an der Nutzungsdauer orientierten Abschreibungswerten) in Ansatz gebracht werden dürfen oder ist es in Ansehung von §§ 28, 30 WVG i.V.m. dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und dem Willkürverbot rechtlich zulässig, Anschaffungs- und Herstellungskosten von Wirtschaftsgütern mit ihren pagatorischen Kosten (d.h. ihren tatsächlichen angefallenen Herstellungs- oder Anschaffungskosten) in Ansatz zu bringen?"
kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu.

6 Bei wortlautgetreuem Verständnis der aufgeworfenen Frage ist diese nicht entscheidungserheblich, weil sie sich so dem Berufungsgericht nicht gestellt hat. Das Berufungsgericht hat die Rechtmäßigkeit der Kalkulationsgrundlagen nicht am Maßstab der bundesrechtlichen Vorschriften der §§ 28 und 30 des Wasserverbandsgesetzes (WVG) gemessen. Es hat vielmehr darauf abgestellt, dass die beiden Elemente der Kalkulation, der Flächenbeitragssatz und der Erschwernisbeitragssatz, nach § 55 Abs. 3 und 4 WG LSA zu bestimmen sind. Diese für das Berufungsgericht maßgeblichen Normen sind nicht Gegenstand der vom Beklagten angeführten Grundsatzfrage. Sie sind zudem als Landesrecht nicht revisibel (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO).

7 Auch wenn bei rechtsschutzfreundlicher Auslegung der von der Beschwerde formulierten Grundsatzfrage in Rechnung gestellt wird, dass § 55 Abs. 3 WG LSA die Geltung der Vorschriften des Dritten Teils des Wasserverbandsgesetzes des Bundes anordnet, bezieht sie sich nicht auf revisibles Recht. Denn durch einen solchen Anwendungsbefehl des Landesgesetzgebers werden die in Bezug genommenen Vorschriften des Bundesrechts in das Landesrecht inkorporiert. Sie sind revisionsrechtlich als irrevisibles Landesrecht anzusehen (BVerwG, Beschluss vom 7. Juni 2002 - 9 B 30.02 - juris Rn. 3). Im konkreten Fall des § 55 Abs. 3 WG LSA i. V. m. §§ 28 und 30 WVG wird dies besonders deutlich, weil die bundesrechtlichen Vorschriften nach landesrechtlichen Maßgaben Anwendung finden.

8 Auch soweit die Beschwerde auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und das Willkürverbot und somit auch auf verfassungsrechtliche Maßgaben Bezug nimmt, wird eine grundsätzliche Bedeutung nicht dargetan. Deren Verletzung ist eine tatsächliche Frage des Einzelfalls und folglich nicht mit der Grundsatzrüge zu klären (BVerwG, Beschluss vom 7. Juni 2002 - 9 B 30.02 - juris Rn. 5).

9 2. Die Revision ist auch nicht wegen Divergenz zuzulassen.

10 Eine die Revision eröffnende Divergenz ist nur dann im Sinne von § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO hinreichend bezeichnet, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung (unter anderem) des Bundesverfassungsgerichts oder des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen entscheidungstragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat (BVerwG, Beschluss vom 19. Oktober 2022 - 7 B 19.21 - NVwZ-RR 2023, 95 Rn. 13).

11 Auf dieser Grundlage ist nicht ersichtlich, dass die Beschwerde einen Rechtssatz des Berufungsgerichts hinreichend deutlich bezeichnet. Sie entnimmt der Entscheidung des Berufungsgerichts nämlich keinen konkreten Rechtssatz, sondern zitiert mehrere auf die Rechtsanwendung im Einzelfall bezogene Absätze des Urteils, deren Inhalt sie dann interpretatorisch zusammenfasst, den sie in Widerspruch zu einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts sieht. Die insoweit zitierte Urteilspassage bezieht sich wiederum auf die Beurteilung eines konkreten Sachverhalts.

12 Eine Divergenz ist darüber hinaus auch deshalb nicht gegeben, weil der vermeintliche Widerspruch nicht dieselbe Vorschrift revisiblen Rechts betrifft. Das Berufungsgericht befasst sich in der zitierten Passage mit der Beitragskalkulation nach Landesrecht (vgl. oben, 1.). Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, von der nach der Darstellung der Beschwerde abgewichen worden sein soll (BVerwG, Beschluss vom 27. Juni 2005 - 10 B 72.04 - NVwZ 2005, 1184), befasst sich demgegenüber in der in Bezug genommenen Passage mit der Anwendung von Bundesrecht. Zudem handelt es sich nicht um eine entscheidungstragende Erwägung ("Ohnehin ...").

13 Schließlich entnimmt die Beschwerde der angegriffenen Entscheidung auch unzutreffend einen Rechtssatz, dass methodische Mängel in der Kalkulation stets und unabhängig von ihrer Auswirkung auf die Höhe des kalkulierten Beitragssatzes zur Rechtswidrigkeit der Kalkulation führten. Das Berufungsgericht hat lediglich davon abgesehen, die Auswirkungen zu konkretisieren, und ist im Übrigen von einer als "erheblich anzusehenden Überschreitung der Kosten" (UA S. 11 f., 18) ausgegangen.

14 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i. V. m. § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG.